Justizministerin Gentges erfährt im Seehaus Leonberg, wie Täter Verantwortung übernehmen und Opfern geholfen wird
Am 9.7.2025 besuchten die Justizministerin von Baden-Württemberg Marion Gentges und der Landtagsabgeordnete Dr. Reinhard Löffler (beide CDU) den Verein Seehaus in Leonberg. Dabei informierten sie sich über den dort durchgeführten Jugendstrafvollzug in freien Formen. Besonders interessierte sie der Ausbau einer Motorradwerkstatt, die Opfer- und Traumaberatungsstellen und die Angebote in Justizvollzugsanstalten zur Opferorientierung – ein Ansatz, dessen Bedeutung auch Gentges beim Besuch unterstrich.

Landtagsabgeordneter Dr. Löffler (2. v.l.) und Ministerin Gentges (Mitte) mit Seehaus-Mitarbeitern
Eine Motorradwerkstatt im Jugendstrafvollzug
Die Ministerin kam auf dem Motorrad angereist. Noch schnell aus der Bikerkluft geschlüpft, erhielt sie und der Landtagsabgeordnete Löffler eine Führung auf dem Gelände des Seehauses, das die dritte Alternative des Jugendstrafvollzugs durchführt – nämlich den Jugendstrafvollzug in freien Formen. Erster Stopp der Führung: passenderweise die Motorradwerkstatt. Hier sammeln die straffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen wichtige Fähigkeiten, die sie später für ihren Beruf brauchen werden.

Ausbildungsleiter des Seehauses, Markus Kast, erklärt den Aufbau der Motorrawerkstatt „Glemseck Moto“
In der Werkstatt, die unter dem Namen „Glemseck Moto“ firmiert, gestalten die jungen Männer sogenannte Custom-Bikes. Besonders interessiert zeigten sich Gentges und Löffler an einem Motorrad, das vom Hersteller Royal Enfield gespendet und von den jungen Männern umgebaut wurde. Später wird es beim „Glemseck 101“ verlost, einem Bikertreffen, das vom 5. bis zum 7. September 2025 in Leonberg stattfindet und von einer Tochterorganisation des Seehauses durchgeführt wird. Der Erlös der Verlosung kommt der Opfer- und Traumaberatung des Seehauses zugute.
Täter übernehmen Verantwortung
Der Verein Seehaus verfolgt den Restorative-Justice-Ansatz, bei dem die Bedürfnisse von Geschädigten sowie Wiedergutmachung und Verantwortungsübernahme von Tätern betont wird. Im Seehaus Leonberg werden junge Männer im Jugendstrafvollzug in freien Formen darauf vorbereitet, Verantwortung für sich, ihre Taten und die Gesellschaft zu übernehmen. Da viele kein „funktionierendes“ Familienleben kennen, leben jeweils bis zu sieben Jugendliche mit einer Mitarbeiterfamilie zusammen. Gleichzeitig sind sie in einen strukturierten und harten Arbeitsalltag eingebunden. Ein wichtiger Aspekt ist die Vermittlung der Opferperspektive, die Übernahme von Verantwortung und die Wiedergutmachung.
Die Ministerin zeigte sich überzeugt: „Das Seehaus Leonberg leistet mit Anbindung an eine Familie, Ausbildung und einem geregelten Tagesablauf einen wichtigen Beitrag zur Erziehung jugendlicher Straftäter und zu ihrer Integration in die Gesellschaft.“
Die Opfer im Blick
Der Verein Seehaus bietet auch direkte Unterstützung für Geschädigte von Straftaten an, durch das Programm „Opfer und Täter im Gespräch“ und durch spezielle Beratungsstellen. Bei ihrem Besuch im Seehaus sprach die Ministerin auch mit dem Ehepaar Peters (Name geändert), deren Sohn Opfer von einer Gewalttat geworden war. Der Verein half bei der Aufarbeitung der Erlebnisse, indem er eine Opfer- und Traumaberatung anbot. Ein solches Angebot für Opfer von Straftaten bietet das Seehaus in Beratungsstellen an fünf Standorten in Baden-Württemberg an.
Außerdem informierten sich Gentges und Löffler über die Gefängnisarbeit des Seehauses. In neun Justizvollzugsanstalten ist der Verein Seehaus tätig. Einer der Schwerpunkte liegt dabei auf dem sogenannten „Opfer-Empathie-Training“. In diesem Training werden Täter dabei unterstützt, Verantwortung zu übernehmen und sich mit den Folgen ihrer eigenen Tat auseinanderzusetzen, gleichzeitig bekommen Opfer von Straftaten eine Stimme. So sollen auch im Strafvollzug die Opfer in den Blick genommen und der gesetzliche Auftrag zur Opferorientierung umgesetzt werden.
Gentges betonte die Bedeutung dieser Opferorientierung: „Der Verein Seehaus legt zu Recht großen Wert auf die Arbeit des Täters mit dem Opfer und den Auswirkungen seiner Tat. So werden Opfer-Täter-Gespräche oder Opfer-Empathie-Trainings angeboten. Solche Angebote sind wichtig, um der für den Rechtsstaat zentralen Aufgabe des Opferschutzes gerecht zu werden. Mit den neu eingerichteten Opferbeauftragten der Staatsanwaltschaften können private Träger wie das Seehaus und staatliche Stellen zukünftig noch besser Hand in Hand für eine Stärkung des Opferschutzes zusammenarbeiten und Opfern den Weg zum passenden Hilfsangebot weisen.“
Bei dem Programm „Opfer und Täter im Gespräch“, nahm auch die bereits genannte Mutter teil. Sie berichtete beim Besuch der Ministerin davon, wie dieses Gespräch mit Tätern ähnlicher Straftaten ihr half, ihre Geschichte zu erzählen und das Geschehene zu bewältigen.