Ambulante Maßnahmen

Ambulanten Maßnahmen für straffällig gewordene Jugendliche

Ambulante Maßnahmen für straffällig gewordene Jugendliche sind erzieherische Maßnahmen, die die Gründe der Straffälligkeit berücksichtigen und eine freiheitsentziehende Rechtsfolge verhindern sollen. Die Jugendlichen/ jungen Erwachsenen sollen sich unter sozialpädagogischer Begleitung mit der Straftat auseinandersetzen und die Möglichkeit zur Wiedergutmachung bekommen.

Die Programme tragen dazu bei, dass Schlüsselqualifikationen der Problemlösung gefestigt, trainiert und entwickelt werden. Die erzieherischen Programme können sowohl als Einzelgespräche aber auch in Gruppensettings stattfinden. Im Fokus liegen verschiedene Lernfelder: Auseinandersetzungen mit den gesellschaftlichen Normen und Werten, Auseinandersetzung mit der Straftat, Reflektion der eigenen Identität und das Wahrnehmen von eigenen Schwächen und Stärken, Förderung des Sozialverhaltens und Entwicklung von Zukunftsperspektiven.

Die Umsetzung der Programme erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Jugendamt, Stadtverwaltungen, Arbeitsamt, Jugendgericht und der Jugendgerichthilfe.

Sozialpädagogische Angebote der Ambulanten Maßnahmen

Betreuungsweisungen¹

Die Jugendlichen setzten sich mit der Tat an sich auseinander. Zusätzlich gibt es Unterstützung zur Strukturierung des Alltags, sowie Hilfestellungen für Bewerbungen und Freizeitgestaltung.

Ziele:

  • Straftataufarbeitung
  • Psychosoziale Herausforderungen in der Familie, Schule/Beruf oder Freizeit reflektieren und bewältigen
  • Förderung von Verselbstständigung und eigenverantwortlichem Handeln

Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)¹

Es werden Gespräche mit Täter und Opfer durchgeführt, um bei einem Konflikt eine außergerichtliche Einigung zu finden. Dabei sollen Lösungen angestrebt werden, welche für beide Seiten eine zufriedenstellende Einigung darstellen. Dies kann materieller oder immaterieller Art sein.

Ziel für den Täter und Opfer sind:

Täter:

  • Auseinandersetzung mit der Straftat
  • Auseinandersetzung mit seinem Opfer
  • Bemühungen um eine Wiedergutmachung
  • Verantwortungsübernahme gegenüber dem Geschädigten

Geschädigter:

  • Erfahrung über die Motivation des Täters, hilft zur Verarbeitung des Erlebten
  • Das Erlebte dem Täter schildern dürfen

Verkehrserziehungskurs

Der Verkehrserziehungskurs ist für Jugendliche, die im Straßenverkehr durch Verkehrsdelikte strafrechtlich auffällig geworden sind.

Ziele:

  • Förderung von Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein
  • Auseinandersetzung mit dem Delikt
  • Durchsprechen des Sinns verkehrsrechtlicher Regelungen
  • Abbau von verkehrsgefährdendem Handeln
  • Sensibilisierung für eventuelle schwerwiegenden Folgen einer Verkehrsstraftat

Sozialer Trainingskurs (STK)

Der Soziale Trainingskurs dient Jugendlichen, welche Straftaten begangen haben. Dieser Kurs wurde vom Gericht angewiesen. Dieser Anweisung muss gefolgt werden, sonst können Konsequenzen wie beispielsweise Arrest folgen. Die Umsetzung geschieht durch Gruppenintensivkurse am Wochenende mit Vor- und Nachbereitung. Das Wochenende beinhaltet viele Komponenten wie lern- und verhaltenstheoretische Ansätze, erlebnispädagogische Ansätze, Einheiten von Anti-Aggressions-Trainings bis hin zu Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und Perspektivgespräche.

Ziele:

  • Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und Identität
  • Reflektieren von Stärken und Schwächen
  • Fokus Zukunft: Träume, Wünsche und Ängste. Wie bereite ich mich darauf vor?
  • Auseinandersetzung mit der Straftat/Regelbrüche und deren Konsequenzen
  • Kennenlernen verschiedener Lebensentwürfe: Austausch von Erfahrungen zu jugendrelevanten Themen wie Schule/Ausbildung/Beruf, Kommunikation, Lebenswege, Beziehungen zu Eltern/Freunden/Partner, Medien, Straffälligkeit, Konflikte/Gewalt, Drogen

Leseprojekt/Buchlesung

Dieses Projekt richtet sich an Jugendliche, die noch nicht gravierend strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Ihre Straftaten finden sich als Themen in den Büchern wieder und öffnen somit einen Zugang und eine Auseinandersetzung zur Straftat.

Ziel:

  • Bewusstsein von anderen Sichtweisen auf die Tat
  • persönliche Tatmotivation eröffnen
  • Wiederfinden der eigenen Lebenssituation
  • Anregungen zum Überdenken eigener Werte und Prioritätensetzung
  • Finden von alternativen Problemlösungsstrategien
  • Förderung von Kreativität, Reflektions-, Kommunikations- und Ausdruckfähigkeit und der Phantasie

Begleitete Gemeinnützige Arbeit (BGA)

Die Jugendlichen leisten in Begleitung einer pädagogischen Fachkraft ihre „Sozialstunden“ in verschiedenen gemeinnützigen Einrichtungen ab. Begleitete Arbeitsstunden bieten eine gute Möglichkeit zur Wiedergutmachung einer Straftat. Zugleich haben Jugendliche dabei die Chance an ihrer Persönlichkeit zu arbeiten und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.

Ziele:

  • Förderung sozialer Verantwortung durch gesellschaftlich relevante Arbeitsprojekte
  • Beschäftigung mit der eigenen Lebenssituation
  • Zukunftsorientierung
  • Verantwortungsübernahme
  • Entwicklung einer Strategie zum Erreichen der eigenen Ziele (Schulabschlüsse, Ausbildung, Beziehungen…)
  • Reflektion der Straftat(en) – daraus resultierende Entwicklung von Handlungsalternativen
  • Kennenlernen des gesellschaftlichen Lebens vor Ort – mit dem Ziel sich darin zu integrieren

 

Aussagen von den Jugendlichen über die BGA

„Danke für die schöne Zeit, ich hätte gern noch mehr gemacht.“

„Ich hatte mal keine lange Weile, die Zeit war so schnell rum.“

„Darf ich mal vorbeischauen oder wiederkommen?“  …

sind ein wunderbares Dankeschön für jeden Einsatz.

 

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Grundlagen zur Durchführung der sozialpädagogischen Programme

  • 52 Abs.1 und 2 SGB VIII (Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG))

(1) Das Jugendamt hat nach Maßgabe der §§ 38 und 50 Abs.3 Satz 2 des JGG im Verfahren nach dem JGG mitzuwirken.

(2) Das Jugendamt hat frühzeitig zu prüfen, ob für den Jugendlichen oder jungen Volljährigen Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen. Ist dies der Fall oder ist eine geeignete Leistung bereits eingeleitet oder gewährt worden, so hat das Jugendamt den Staatsanwalt oder den Richter umgehend davon zu unterrichten, damit geprüft werden kann, ob diese Leistung ein Absehen von der Verfolgung (§45 JGG) oder eine Einstellung des Verfahrens (§47 JGG) ermöglicht.

  • 10 JGG (Weisungen)

(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen, …

  1. Arbeitsleistungen zu erbringen,
  2. sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
  3. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
  4. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
  5. an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.
  • 15 Abs.1 JGG (Auflagen)

 (1) Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen,

  1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
  2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
  3. Arbeitsleistungen zu erbringen oder
  4. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
  • 45 Abs.2 JGG (Absehen von der Verfolgung)

(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

  • 47 Abs. 1 JGG (Einstellung des Verfahrens durch den Richter)

(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn

  1. eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,…
  • 23 Abs.1 JGG Weisungen und Auflagen

(1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die §§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3, Satz 2 gelten entsprechend.

  • 29 SGB VIII (Soziale Gruppenarbeit)

Die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit soll älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeit soll auf Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinder und Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe fördern.

  • 30 SGB VIII (Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer)

Der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer sollen das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezuges zur Familie seine Verselbständigung fördern.

  • 41 SGB VIII (Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung)

„(1) Einem jungen Volljährigen soll Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Der junge Volljährige soll auch nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung im notwendigen Umfang beraten und unterstützt werden.