Unternehmer für den Frieden
Wirtschaftsdelegation besucht Friedens- und Versöhnungsprojekte in Kolumbien
Nach einem 60jährigen bewaffneten Konflikt müssen Versöhnungsprojekte und wirtschaftliche Perspektiven Hand in Hand gehen, um dauerhaft Frieden zu schaffen.
Am 13.12. um 19.00 Uhr berichten die Delegationsteilnehmer von ihrer Kolumbien-Reise:
Eine 13-köpfige Delegation aus Unternehmern und Philanthropieexperten war im Oktober bei einer 10-tägigen Delegationsreise in Kolumbien. Kolumbien ist ein wunderschönes Land, einer der Staaten mit dem höchsten Grad an Biodiversität, reich an Bodenschätzen und die drittgrößte Volkswirtschaft auf dem südamerikanischen Kontinent. Gleichzeitig ist Kolumbien geprägt von Korruption, Drogenhandel und über 60 Jahren bewaffnetem Konflikt.
Die Reise wurde von der DESERTEC Foundation, der von Tobias Merckle gegründeten Hoffnungsträger Stiftung und deren Tochter, der Sinngeber gGmbH, einem philanthropischen Family Office, organisiert. Die Unternehmer rekrutierten sich vor allem aus dem Netzwerk von „Unternehmer in Bewegung“ . Ziel war es, deutsche und kolumbianische Unternehmer zu vernetzten, beide mit sozialen Projekten bekannt zu machen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen die einen Beitrag für den Friedens- und Versöhnungsprozess leisten können. Dabei lag ein Schwerpunkt auf der Schaffung von Arbeitsplätzen in Regionen und urbanen Zentren , die stark vom bewaffneten Konflikt oder von Bandenkriminalität betroffen sind.
Vor Ort wurde die Delegationsgruppe von Prison Fellowship Kolumbien begleitet, ein langjähriger Partner der Hoffnungsträger Stiftung. Prison Fellowship Kolumbien ist eine Organisation mit 50 hauptamtlichen und über 2000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, welche sich in mehreren Programmlinien für den Friedensprozess einsetzt. Einige davon hat die Delegation besucht:
Dörfer der Versöhnung
In Tolu Viejó treffen im Rahmen des Programms „Dörfer der Versöhnung“ ehemalige Soldaten auf Hinterbliebene. 11 Familien haben dort junge Männer verloren. Margarita Flores hat ihre Geschichte erzählt. Als sie 17 Jahre alt und schwanger war, kamen Nachbarn zu ihrem Mann und haben ihm Arbeit angeboten. Er ging mit und kam nie wieder zurück. Soldaten haben ihn umgebracht und als Guerilla-Kämpfer ausgegeben. Dies war in Kolumbien leider ein bekanntes Phänomen: Zwischen 2002 und 2008 wurden mehr als 6.000 Zivilisten von Soldaten ermordet und als Guerilla-Kämpfer ausgegeben. Damit konnten sie angebliche Erfolge nachweisen und haben Heimaturlaub und Prämien kassiert. Im Rahmen des Programms „Dörfer der Versöhnung“ kommen ehemalige Guerilla-Kämpfer, Paramilitärs und Soldaten mit Opfern des Konflikts zusammen. Sie nehmen an dem Programm Opfer und Täter im Gespräch teil und bauen dann gemeinsam zerstörte Infrastruktur, wie zerstörte Schulen, Kirchen und Brücken wieder auf – je nachdem, was die Opfer auswählen. In Tolu Viejó hat die Hoffnungsträger Stiftung ein Haus gekauft, welches als Erinnerungsstätte an die Verstorbenen dienen soll. Zusätzlich sind eine Bäckerei und Café geplant, welchevon der Selbsthilfeorganisation betrieben werden soll, die Margarita Flores gegründet hat.
In Santa Fé de Ralito hat die Delegation ein zweites solches Projekt besucht. Die Gegend ist berühmt-berüchtigt. Sie wurde zunächst von Guerilla-Kämpfern und dann von Paramilitärs terrorisiert. Schließlich war es Mittelpunkt der Friedensverhandlungen der Regierung mit den Paramilitärs und dann Entwaffnungszone, in der die Paramilitärs für mehrere Jahre im „Hausarrest“ waren. Auch dort wurde ein Haus der Erinnerung aufgebaut.
Die Hoffnungsträger Stiftung hat inzwischen 17 solcher Dörfer der Versöhnung gefördert. Bisher hat jedoch eine Komponente gefehlt: Wenn Opfer und Täter keine berufliche Perspektive haben, ist die Gefahr, dass die Täter zurück zu den Waffen greifen – das Einzige, was sie je gelernt haben, da viele schon als Kinder zwangsrekrutiert wurden.
Planting Hope: Wiederherstellung von Wäldern und von Beziehungen und Perspektiven
Deswegen hat die Hoffnungsträger Stiftung in der Nähe eine 800 Hektar große Rinderfarm gekauft. Dort entsteht ein Aufforstungsprojekt, mit dem die Natur restauriert wird und mit heimischen Bäumen ein Urwald entseht, der als Nutzwald betrieben wird. Opfer und Täter des Konflikts bekommen so Arbeit und damit Perspektive und Zukunft. Die entstehenden CO2-Zertifikate können auch von deutschen Firmen gekauft werden.
Befriedung von Medellin
Auch die Metropolregion Medellin ist stark vom Konflikt betroffen und wird in großen Teilen von Banden kontrolliert. Die Bandenchefs der 14 Banden, mit ca. 350-400 Untergruppierungen und 14.000 Mitgliedern sind im Itagüi Gefängnis zusammengezogen. Präsident Gustavo Petro möchte einen „Totalen Frieden“ mit allen bewaffneten Gruppen schließen. In diesem Zusammenhang gibt es auch Friedensverhandlungen mit diesen Bandenchefs. Von Merckle initiiert bietet Prison Fellowship ein Diplom in Restorative Justice, in wiedergutmachender Gerechtigkeit für die Bandenchefs an. Nach dem Theorieteil sollen auch Begegnungen mit Opfern und dann Wiedergutmachungsleistungen stattfinden.
„Wir sind uns unserer Schuld bewusst und wissen was wir den Opfern und der Gesellschaft angetan haben. Dafür sind wir jetzt im Gefängnis. Jetzt ist es Zeit, dass wir etwas Gutes für die Gesellschaft tun“, so Freyner Sofonso Ramírez, alias Carlos Pesebre, einer der höchsten ehemaligen Bandenchefs und Hauptsprecher für die Friedensverhandlungen.
Wirtschaftliche Perspektiven durch deutsch-kolumbianische Zusammenarbeit
Bei einem Treffen im Itagüi Gefängnis, haben die Bandenchefs der Metropolregion Medellin den mitgereisten Unternehmern eine Transforamtions-Idee präsentiert. Dabei sollen 3-4 der am schlimmsten von Kriminalität betroffen Stadtviertel, von einer kriminellen in eine legale Wirtschaft umgedreht werden. Kernelement ist die Schaffung von Arbeitsplätzen durch kooperierende Unternehmen . Gleichzeitig gibt es ein Zusammenschluss von ca. 800 sozialen Organisationen unter Führung von Prison Fellowship, die dort soziale Projekte umsetzen. Die Bandenchefs garantieren dann, dass dort keine organisierte Kriminalität mehr stattfindet. Wenn es so möglich ist, einige der schlimmsten Stadtviertel wesentlich zu verändern und auch der staatlichen Kontrolle zu übergeben, kann dies als Role Model für viele weitere Orte dienen.
Generell können durch wirtschaftliche Perspektiven starke Alternativen zur Kriminalität geschaffen werden. Michael Schröder (DESERTEC Foundation) hat dazu ein Beispiel eingebracht: Durch Klärschlamm und Plastikmüll können Anlagen errichtet werden, die Müll in Wasserstoff umwandeln (Waste to Hydrogen). Somit kann die lokale Bevölkerung im Rahmen eines Recycling-Kreislaufs aktiv eingebunden werden.
Diese und andere Ideen wurden bei Treffen mit kolumbianischen Unternehmern in Medellin, Monteria und Bogota besprochen, ebenso wie mit dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie und Touristik und dem Büro des Hohen Beauftragen für den Frieden im Präsidentenpalast besprochen.
Im Frühjahr soll die nächste Unternehmensreise stattfinden, um diese Ideen mit der Regierung, Unternehmen und den beteiligten Gruppen zu konkretisieren.
Allgemeine Informationen
Freitag, 13.12.2024
19:00 – 21:00 Uhr |
|
Seehaus-Akademie Leonberg, Glemseck-Saal (Lageplan: 7.), Glemseck 1, 71229 Leonberg (Google Maps)
Parkmöglichkeiten finden Sie neben dem Glemseck. Die Veranstaltung findet Hybrid statt. Sie können sich auch über Zoom einwählen. |
|
Der Abend ist kostenlos. Wir freuen uns über großzügige Spenden für die Projekte in Kolumbien:
Hoffnungsträger Stiftung Commerzbank AG IBAN: DE49 6004 0071 0599 6061 00 Spendenzweck: Kolumbien |
|
Teilnehmer der Unternehmer-Delegationsreise und Tobias Merckle Geschäftsführender Vorstand Seehaus e. V. |
Sollten Sie Fragen haben, schreiben Sie uns eine E-Mail an Akademie@Seehaus-ev.de