Über 1000 Besucher sind am Sonntag, 22. September zum Seehaus-Fest nach Leonberg gekommen. Den gesamten Tag über herrschte eine entspannte Atmosphäre bei herrlichem Spätsommerwetter und man blickte in viele zufriedene Gesichter. Los ging ´s um 11 Uhr mit einem Gottesdienst im Innenhof des historischen Seehaus-Gebäudeteils. Die Predigt hielt Weihbischof Thomas Maria Renz, der auch dem Kuratorium des Seehaus e. V. angehört.
Zum Festakt am Nachmittag begrüßte Seehaus-Leiter Tobias Merckle die Gäste. Er ging in seiner Rede kurz auf die Entwicklung der Einrichtung in den vergangenen Jahren ein. „Wir können dankbar sein für 16 Jahre Seehaus, 16 Jahre Jugendstrafvollzug in freien Formen, für 16 Jahre, in denen wir jungen Menschen eine Chance geben und sie auf ein Leben in Freiheit vorbereiten durften. Es lohnt sich, in jeden einzelnen unserer Jungs zu investieren“, sagte er.
211 junge Männer haben seit 2003 das Seehaus Leonberg inzwischen durchlaufen. 90 Prozent erwarben einen Hauptschulabschluss oder schlossen das erste Lehrjahr erfolgreich ab. 98 Prozent bekamen einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. 75 Prozent mussten nach ihrer Zeit im Seehaus Leonberg nicht wieder ins Gefängnis.
„In jedem unserer Jungs stecken enorme Potenziale. Es wäre schade, ja unverantwortbar, wenn wir ihnen und uns als Gesellschaft nicht die Möglichkeit geben würden, diese Talente zu nutzen“, so Merckle weiter. „Besonders dankbar sind wir für alle, die unseren Dienst am Menschen unterstützen – sei es politisch, finanziell oder ideell.“
Zu den Ehrengästen beim Seehaus-Fest zählte einmal mehr Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf. „Es ist für mich schon zur Tradition geworden, an diesem Fest teilzunehmen“, leitete er sein Grußwort ein. „Ich komme sehr gerne, weil ich mich in meinem Alltag sonst meistens mit schwierigen Fällen oder Problemen im Strafvollzug auseinandersetzen muss. Da ist es wohltuend, wenn ich mich zwischendurch auch einmal einer anderen Facette befassen kann. Dazu zählt für mich der Strafvollzug in freien Formen im Seehaus Leonberg“, betonte er. In dieser Einrichtung würden die Weichen gestellt, dass junge Menschen wieder auf den richtigen Weg gelangen. Dass 75 Prozent der jungen Männer nach ihrem Aufenthalt im Seehaus Leonberg nicht wieder ins Gefängnis müssten, sei der Beweis für die hervorragende Arbeit, die geleistet werde.
Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn bezeichnete das Seehaus Leonberg als einen wichtigen gesamtgesellschaftlichen Ort, an dem Menschen ganz unterschiedlicher Prägung einen Platz fänden. „Das Seehaus ist ein Aushängeschild für die Stadt und die Region. Wir sind stolz auf Sie und Ihre Mannschaft, lieber Herr Merckle“, sagte das Stadtoberhaupt. Cohn sicherte seine Unterstützung auch bei anstehenden Projekten zu. „Ich freue mich, die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Seehaus fortzusetzen“, so der Oberbürgermeister.
Christoph Rickels stellte auf der Bühne seine Initiative „First Toghetherness“ vor, die er in das Projekt „Anstoß für ein neues Leben“ der DFB-Stiftung Sepp Herberger einbringt. Rickels wurde als junger Mann bei einer Attacke schwer verletzt und leidet noch heute unter den Folgen. Mit seiner Initiative wirbt er für ein neues Miteinander in der Gesellschaft. „Meine Kernbotschaft ist, dass man immer das erntet, was man sät. Man sollte deshalb stets das Gute verfolgen. Zusammen sind wir am stärksten.“ Der Vortrag des 32-Jährigen regte zum Nachdenken an und machte deutlich, dass eine einzige unüberlegte Tat ein Leben komplett zerstören kann.
Die Seehaus-Jungs gaben im Nachmittagsprogramm ein Theaterstück zum Besten, das sie zusammen mit Schuldekan Andreas Hinz und Petra Mack entwickelt hatten. Diesmal ging es um den Tagesbeginn im Seehaus am frühen Morgen mit all seinen Besonderheiten.
Spiel und Spaß kamen auch darüber hinaus beim Seehaus-Fest nicht zu kurz. Das Baggerspiel, die Hüpfburg, das abenteuerliche Überqueren des Seehausteichs auf einer wackligen Hängebrücke, die Bastelstationen für Jung und Alt sowie der 3D-Scanner der Firma Ipo-Plan und der Humansoccer der Firma Mörk fanden großen Anklang.
Axel Jeroma