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Graffiti Entfernung als Wiedergutmachung

Für Delikte wie Diebstahl oder auch Körperverletzung müssen Jugendliche oft Sozialstunden ableisten. In Heilbronn schrubben sie seit Neuestem beschmierte Hauswände. So lange, bis die Graffiti weg sind. Der Service, der vom Verein Seehaus organisiert wird, ist kostenlos.

17. Februar 2019, Stimme.de, Heilbronn, von Jürgen Kümmerle:

begleitete gemeinnützige Arbeit
An einer Hauswand der TSG Heilbronn entfernen zwei junge Erwachsene Graffiti. Jugendamt, Seehaus und Polizei sind am Projekt beteiligt.Foto: Mario Berger/Stimme

Er sieht aus, wie ein übergroßer Industriestaubsauger oder wie der R2-D2-Roboter von Star Wars mit einem langen Rüssel. In Wirklichkeit ist es eine Maschine, die lästiges Graffiti von Hauswänden entfernt. Die, die sie bedienen, sind möglicherweise auch die, die Wände beschmiert haben.

Oder es sind Jugendliche, die von Polizeihauptkommissar Dieter Rädel (62), Polizeioberkommissar Marius Müller (35) oder deren Kollegen vom Haus des Jugendrechts bei irgendwelchen Straftaten erwischt und von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht zu Sozialstunden verdonnert wurden. Die Delikte reichen von Diebstahl über Erpressung bis hin zu Körperverletzung.

Graffiti entfernen ist Zentimeterarbeit

Mattia Masciale (21) hält den Schlauch des überdimensionalen Staubsaugers gegen Graffiti an der Hauswand der TSG Heilbronn. Der nicht identifizierbare hässliche Schriftzug muss weg. Der Aufsatz der Maschine erzeugt einen Unterdruck, durch den Schlauch wird Granulat angezogen und gegen die Fassade gesprüht. Das Graffito löst sich auf. Zentimeter für Zentimeter arbeitet sich Masciale vor. „Die Strafe ist okay“, sagt der Frankenbacher. Mit 0,1 Gramm Marihuana sei er erwischt worden.

Babacar Mbenge verbüßt ebenfalls eine Strafe. Bei einer Durchsuchung in einer Heilbronner Flüchtlingsunterkunft habe die Polizei bei ihm Marihuana gefunden. 0,8 Gramm seien es gewesen. „Das war das einzige Mal“, sagt der 23-Jährige, der 2014 aus Gambia nach Deutschland geflüchtet ist. Mit der Strafe ist er einverstanden.

Sogleich machen sich die beiden unter Anleitung von Jonathan Banse (28) und Denis Krautter (42) ans Werk. Die beiden arbeiten beim gemeinnützigen Verein Seehaus im Bereich Kriminalprävention, Jugend- und Opferhilfe. Bekommen Heranwachsende Arbeitsstunden aufgebrummt, wird das Jugendamt informiert. Die Behörde informiert den Verein. Das Seehaus bringt Täter und Opfer zusammen.

Kontakt mit dem Seehaus

Wer Graffiti von der Wand entfernt haben möchte, wendet sich an das Seehaus. „Dann werden Sachbeschädigungen, die im Stadtgebiet passiert sind, bereinigt und das Stadtbild verschönert“, sagt Polizist Müller.

Während die Verurteilten ihre Strafe verbüßen, kommen sie mit Banse und Krautter vom Seehaus ins Gespräch. Im besten Fall denken die Täter über ihre Tat nach und nehmen die Sicht der Opfer ein. Die Heranwachsenden erhalten die Möglichkeit, an ihrer Persönlichkeit zu arbeiten. Die Entfernung der Graffiti ist kostenlos. Geschädigte melden sich bei Seehaus e.V. unter der Telefonnummer 0174 9 94 64 18.

Mehr Informationen zur begleiteten gemeinnützigen Arbeit und zu den „Tatortreinigern„.