Nach zwei Jahren coronabedingter Pause hat der Seehaus e. V. aus Leonberg wieder ein Fest veranstaltet. Es fand diesmal bewusst in etwas kleinerer Form als in den vergangenen Jahren als „Seehaus-Festle“ auf der Wiese beim Glemseck statt. Etwa 400 Besucher waren am Sonntag, 26. September gekommen, um einen Gottesdienst zu feiern und Neues aus der Arbeit des Seehaus e. V. zu erfahren.
Die Predigt beim Gottesdienst hielt Bettina Limperg, die Präsidentin des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. Sie war evangelische Präsidentin beim Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt und ist Mitglied im Kuratorium des Seehaus e. V. Sie stellte das Thema Wertschätzung in den Mittelpunkt ihrer Ansprache und verwies darauf, welch wichtige Rolle dabei Lob und Dank spielten. „Gott hat uns seine Welt ohne Wenn und Aber anvertraut. Das sollte uns dazu verleiten, zu loben und zu danken“, meinte sie. Ein Lob sei weit mehr als die Bekundung, dass etwas gut geworden ist. Es müsse auch nicht immer durch Worte ausgedrückt werden. „Es bedeutet, sein Gegenüber wahrzunehmen, hinzusehen und ihm etwas zuzutrauen und dabei unter Umständen auch Misserfolg in Kauf zu nehmen“, sagte Limperg. Wertschätzung dürfe deshalb keineswegs ausschließlich mit Leistung verbunden sein. Im Seehaus werde das alles auf wunderbare Weise vorgelebt und praktiziert.
Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn griff in seinem Grußwort ebenfalls das Thema Wertschätzung auf. „Im Seehaus wird den jungen Menschen eine große Wertschätzung entgegengebracht, indem sie während ihrer Zeit dort die Chance bekommen, wieder ins Leben einzusteigen“, betonte er. An diesem Punkt sei die Stadt Leonberg ein starker Partner. Sie sei eine Kommune, die nicht zuletzt durch das enorme Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger im Ehrenamt eine hohe Wertschätzung zu den Menschen bringe. Cohn danke dem Seehaus-Team für dessen Arbeit und versicherte: „Wir bleiben ein starker Partner des Seehaus.“
Elmar Steinbacher, Ministerialdirektor des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, überbrachte Grüße von Justizministerin Marion Gentges. „Das Seehaus ist eine großartige Einrichtung, mit der wir gerne zusammenarbeiten. Dort gibt es nie Stillstand, sondern immer neue Ideen und zusätzliche Ausrichtungen. Das zeichnet das Seehaus aus“, sagte er. „Was mich an der Umsetzung des Strafvollzugs in freien Formen im Seehaus besonders fasziniert, ist zum einen das familiäre Umfeld, in dem die Betreuung der Gefangenen stattfindet, und zum anderen die Werteerziehung.“ Christliche Werte, wie Respekt und Toleranz würden engagiert vorgelebt und vermittelt. Das sei ein zentraler Baustein für die Jugendlichen zu einem Leben ohne Straftat.
Tobias Merckle, Geschäftsführender Vorstand von Seehaus e. V. hieß die Besucher im Nehmen des Vereins beim „Seehaus-Festle“ willkommen. „Wir dürfen sehr dankbar zurückblicken, was sich in den letzten 18 Jahren, ja eigentlich 20 Jahren alles entwickelt hat. Am 15.10.2001 haben wir den Verein Seehaus – damals als Prisma e.V. gegründet. Am 3.11. 2003 konnten wir dann mit dem Seehaus Leonberg als Jugendstrafvollzug in freien Formen mit dem ersten Jugendlichen beginnen. Vor Kurzem durften wir zudem 10 Jahre Seehaus Leipzig feiern“, sagte er. Er freue sich sehr darüber, dass Seehaus e. V. inzwischen auch Angebote für Opfer von Straftaten und andere Traumatisierte machen, begleitete gemeinnützige Arbeit für junge Menschen anbieten, Opferempathie-Training und Freizeitgruppen in verschiedenen Gefängnissen durchführen und jetzt sogar eine Abteilung in der JVA Adelsheim mitgestalten könne. Im präventiven Bereich sei Seehaus e. V. ebenfalls aktiv.
„Wir werden uns weiter einsetzen für Restorative Justice. Bei diesem Justizansatz steht die Opferperspektive und Wiedergutmachung im Mittelpunkt“, erläuterte Merckle. „Besonders dankbar sind wir für alle, die unsere Arbeit mit Menschen erst ermöglicht haben – sei es politisch, finanziell oder ideell.“
Im Anschluss an den Gottesdienst beim „Seehaus-Festle“ wurden die Kinder des Wald- und Tierkindergartens auf der Bühne unter den Segen Gottes gestellt. Die Seehaus-Jungs nahmen bei einem Beitrag ihren Alltag in der Einrichtung aufs Korn und aus den Arbeitsbereichen des Seehaus e. V. gab es einen Überblick über den Stand der Dinge und die geplanten Projekte.