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Ausstellung „Seehaus-Street-Art“ ab sofort im Landratsamt Borna zu sehen

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Ein Projektteilnehmer der Seehaus-Jugendlichen, Desiree Fröhlich, Christiane Hornberger (beide an der Violine) und Ulrike Korn (Künstlerin) bei der Vernissage.

Landrat Gey hat am 21. April die Ausstellung „Seehaus-Street-Art“ im Landratsamt Borna eröffnet. Angesichts der aktuellen Diskussionen um den geplanten Neubau des Seehauses am Hainer See nutzte er die Vernissage, um sich grundsätzlich zur Arbeit des Vereins zu äußern: „Im Seehaus wird alles dafür getan, dass die Jugendlichen wieder den Weg zurück in die Gesellschaft finden. Das verdient ausdrücklich unsere Anerkennung und Unterstützung.“

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Christiane Hornberger (FSJlerin im Seehaus) und Desiree Fröhlich (Studentin im Fach Violine) rahmten die Vernissage musikalisch

Das Street-Art-Projekt vom Sommer 2014 und nun die Ausstellung der Ergebnisse im Landratsamt seien Beispiele für den Brückenbau von den Jugendlichen hinein in die Gesellschaft. Berührungspunkte zwischen den Jugendlichen und der Gesellschaft zu schaffen, zu der die noch Inhaftierten bald wieder dazu gehören wollen, sei ein Ziel des Seehauses.  Dies könne nur zusammen mit Ehrenamtlichen und Unterstützern gelingen, so Seehaus-Standortleiter Steffen Hofmann.

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Künstlerin Ulrike Korn trägt mit vollem Körpereinsatz ihre Rede vor.

Künstlerin Ulrike Korn hat im Juli 2014 anderthalb Wochen mit vier Jugendlichen des Seehauses Schablonen geschnitten und gesprayt. Nicht nur Leinwände, sondern auch Türen und Wände des Seehauses wurden so verziert. Ein Großteil der mobilen Ergebnisse ist nun bis mindestens Anfang August im Haus 2, 2. OG des Landratsamtes in Borna zu sehen.

In ihrer lebhaften Eröffnungsrede ließ Ulrike Korn noch einmal den Entstehungsprozess der Bilder Revue passieren, erläuterte Grundsätzliches zum Thema Street-Art und schilderte begeistert ihre zwischenmenschlichen Eindrücke von der Zusammenarbeit mit den Jugendlichen. Hier die vollständige Rede mit Fotos:

 

 

 

 

Liebe Kunstinteressierte.

Beim Vorbereiten meines Beitrages zur heutigen Eröffnung der Seehausausstellung – STREET ART – , und meinem noch einmal Reflektieren was war, was abgelaufen ist, wurde mir in aller Deutlichkeit bewusst, welch ungeheure Kraft, Ausstrahlung und auch was für eine Motivation hinter diesen Bildern steckt, die wir ihnen heute präsentieren. Deshalb hole ich ein wenig weiter aus, nehme Sie mit hinein in die Gedankenwelt von STREET-ART, und ich hoffe, Sie haben noch ein wenig Geduld zum Zuhören.

Was bedeutet STREET-ART?

Street-Art ist zunächst einmal eine Straßenkunst, die sich im öffentlichen Raum abspielt, also eine Kunst fürs Volk, für jeden von uns, sie kostet keinen Eintritt, und da sie in der Regel an Objekte, Wände, Gegenstände, gebunden ist, ist sie auch nicht zum Verkaufen gedacht. Von daher gesehen ist unsere Kunst heute am richtigen Platz angekommen. Herzlichen Dank dafür all denen, die diese Ausstellung möglich gemacht haben, und ein herzliches Willkommen und Ankommen in dieser Ausstellung.

Warum STREET ART, Straßenkunst im öffentlichen Raum?

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Ein „stencil“ (Schablone zum Sprayen)

Ein wesentliches Ziel von STREET ART ist Kommunikation, zum Nachdenken anregen und auffordern, ja auch provozieren, durch ungewöhnliche Motive den Betrachter für neue Sichtweisen öffnen, mit dem Künstler, dem Macher, dem Produzenten in einen Dialog zu treten.

Bei herkömmlichen Graffitis geht es darum, den eigenen Namen mehr oder weniger kunstvoll zu verbreiten, ganz groß herauszubringen. STREET ART will mehr. Mittels oft recht aufwendig hergestellten Schablonen, den sogenannten stencils, werden Botschaften z.B. an Wände gesprüht oder gemalt, in der Regel illegal, obwohl es durchaus auch genügend kreative Alternativen gibt, wie etwa Moos -oder light graffitis , Adbusting, etc. Seit 2005 ist das übrigens keine Ordnungswidrigkeit mehr sondern eine Straftat, auch wenn Aushängeschilder der Szene ,wie der Britte Banksy es längst in die Museen der Welt geschafft haben. Auch Leipzig wirbt in speziellen Reiseführern mit dem „Madonna mit Kind“-stencil, das der tagger Guru Blec Le Rat himself in der Karl-Liebknecht -Str -Nr. 7 einst dort aufgesprüht hat.

Wie eine Leipziger Studie um Axel Philipps belegt, hat ungefähr die Hälfte aller stencils rein ästhetische Gründe, es werden z.B. Gänseblümchen, Einhörner dargestellt, man hat den Drang die Welt zu verschönern.

2015_04_21 Vernissage LRA Borna (49)Übrigens genau solche Motive, von denen unsere Seehausjungs anfangs dachten, sie müssten so etwas zu Papier bringen, was noch vor Beginn dieses Projektes nicht gerade Begeisterung auslöste. Die Begeisterung dann aber sehr schnell Raum gewann, als die Jungs merkten, dass sie hier ihre ureigensten Ideen verwirklichen dürfen. Die Schablonentechnik, bei der mit zuvor selbstgemachter Fotos Bilder mittels Beamer auf Bildträger projiziert werden, eignet sich dazu besonders, denn man hat schnell ein realistisches Ergebnis, was dazu anreizt, dieses nun mit allem Einsatz von Geschick, Fleiß, Ausdauer und Durchhaltevermögen kreativ umzusetzen. Das erfordert und fördert auch jede Menge Frustrationstoleranz , wenn etwas nicht gleich so klappt , wie man es sich so schön ausmalt. Die Jungs arbeiteten gern in Teams, auch arbeitsteilig, jeder konnte seine Stärken entdecken und bewusst einsetzen und einbringen.

Ein weiteres Drittel von Strassenkunst dient offenbar dazu, wie beim herkömmlichen Graffiti, den Kunstnamen des Sprayers zu verbreiten,

Der Rest ist politisch, weltanschaulich, kritisch motiviert, z.B. Aufruf zu Demos, oder durch provokantes Fragen und ungewöhnliche Motivzusammenstellungen zum Nachdenken anzureizen.

Wenn sie nun gleich mit uns zusammen durch die Ausstellung gehen, wird ihnen auffallen, dass keine dieser Motivationen hier zum Tragen kommt, bzw. dargestellt wird.

Ja! Die Bilder haben durchaus großen ästhetischen Reiz, sie sind kreativ, farbig ansprechend, freundlich, ja auch kunstvoll gearbeitet, schön. Aber sie sind es nicht um ihrer selbst willen, es ist kein l´art pour lárt .

Und sie protzen auch nicht mit Kunstnamen, ja sie sind nicht einmal signiert.

Politische oder kritisierende Motive kann man auch nicht erkennen. Es sind auch keine nachgemalten Bilder. Wir haben miteinander um Farben und Techniken gerungen, diskutiert und uns ehrlich ausgetauscht.

Was wir hier sehen, spiegelt uns, was diese Jugendlichen doch offensichtlich primär ernsthaft bewegt. Es geht um Beziehungen. Es ist nicht etwa die Fußballweltmeisterschaft, die am Tag zuvor ihren glanzvollen Höhepunkt hatte, und ich, mit jeder Menge Fußballfotos versehen, dachte, dass die Jungs es mir aus den Händen reißen würden, um es künstlerisch zu verarbeiten, zumal ich wusste, dass die Jungs sehr viel Sport treiben.

2015_04_21 Vernissage LRA Borna (47)Nein! Bei ihren Darstellungen geht es um persönliche Beziehungen. Das Bild, das auf der Homepage des Landratsamtes für diese Ausstellung wirbt, zeigt Julien mit seinem Neffen im Arm. Es war das erste stencil, das fertiggestellt wurde. Ich war tief berührt, mit welcher Hingabe und Konzentration , ja Herzblut Julien die allerfeinsten Linien in die dicke Pappe geritzt hat, und das übrigens mit scharfem Cuttermesser und Skalpell. Und das war erst der Anfang. Voller Eifer kramten die Jungs die wenigen Fotos hervor, die sie hatten. Familienangehörige, Freunde, Nichten und Neffen, wie gut, bzw. wie bezeichnend, dass genau am Tag vor Beginn des Projektes ein Besuchersonntag war. Dann wurden weitere Fotos gemacht, ging es weiter im unmittelbaren Umfeld, natürlich die Seehausmitarbeiter mitsamt ihren Kindern. Ich spüre die Achtung, die Liebe, die sie ihnen entgegenbringen, und die auf den Bildern ihren Ausdruck findet. „Alles Gute“ schreiben sie in ein Bild, das die Hauseltern mit ihrem neugeborenen Kind darstellt, und das sie voller Stolz auf der Eingangstüre anbringen, natürlich indem sie vorher gefragt hatten, ob sie denn das auch dürften, und ob es allen recht sei. Bei all den Bildmotiven geht es um Beziehungen, immer wieder Beziehungen. Ihre Freude wirkt ansteckend. Auch ich fühle mich aufgenommen in dieser großen Familie, erfahre Anerkennung und Wertschätzung.

Übrigens war es interessant für mich zu sehen, dass z.B. Seehausmitarbeiter oder Freunde, die immer mal wieder mitarbeiteten, auch andere Motive wählten, z.B. Musiclabels, eine Comicfigur.

Sven, Danny, Thomas und Julien suchen den Dialog. Sie schreien nicht mehr wütend heraus, sie provozieren auch nicht, nein im Gegenteil, sie setzen sich stundenlang hin und ritzen und schneiden ihre Sehnsüchte in Papier, malen und sprayen und gestalten Leinwände, später sogar das ganze Haus.

Wie finden Sie denn nun unser Projekt? Wir freuen uns, wenn Sie uns dazu ihre Meinung und ihren Kommentar schreiben. Dazu haben wir extra ein Plakat gesprayt.

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„Wie finden Sie mich?“

Wie finden Sie unser Projekt? Ich möchte sogar noch persönlicher werden und Sie direkt mit der Botschaft auf meinem T-Shirt konfrontieren und Sie fragen: Wie finden Sie mich? Ich bin einfach zu sehr Künstler, als dass ich mir diese Gelegenheit jetzt entgehen ließe, Sie hier in der Ausstellung so anzusprechen. Ja, wie finden Sie mich? Und wie finden Sie Danny? Wie finden Sie Sven? Wie finden Sie Julien? Wie finden Sie Thomas?

Was denken Sie wirklich? Sind diese Jungs für Sie einfach Strafgefangene, die ein bisschen Kunst machen dürfen, gefördert durch ein tolles Projekt, womöglich finanziert mit Ihren Steuergeldern? Oder nehmen Sie die Botschaft auf, versuchen mit diesen Jugendlichen in Beziehung zu treten, sie näher kennenzulernen? Gar in ihrer Nähe zu wohnen zu wollen?

Gar am Hainer See????2015_04_21 Vernissage LRA Borna (34)

Genießen Sie nun mit uns den Rundgang durch die Ausstellung. Wir werden Ihnen gerne alle angewendeten Techniken erläutern und zum Teil auch vorführen, und erzählen, was wir zusammen entdeckt, entwickelt und ausprobiert haben. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Danke dafür.

Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des großen Bauhauslehrers und Künstlers Paul Klee, der mir aus dem Herzen spricht, wenn er sagt: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.

Ulrike Korn