Neues Jerusalem – wir kommen!
Bericht von Tobias Merckle aus Kolumbien
Fabián Cortez, einer der Programmleiter von Prison Fellowship Kolumbien, kam heute auf mich zu: Komm, wir gehen ins Neue Jerusalem! Eine vielversprechende Ansage!
Mit dem Motorrad dorthin zu fahren sei allerdings zu gefährlich, das könnte dort gestohlen werden. Komisch auch, dass das Neue Jerusalem direkt neben Paris liegt. Es ist also nicht das in der Bibel beschriebene neue himmlische Jerusalem gemeint, sondern beides sind Stadtviertel in Bello bei Medellin, Kolumbien.
Nueva Jerusalén hat ca. 30.000 Einwohner. Bis vor Kurzem war es laut Fabián eine der größten illegalen Siedlungen Südamerikas. Die Siedlung ist inzwischen legalisiert. Die Dorfbewohner haben die Grundstücke von der Stadt übertragen bekommen. Das hat ihre Situation wesentlich verbessert. Dennoch leben die meisten Menschen dort in bitterer Armut und immer voller Angst. Nueva Jerusalén wird von kriminellen Banden beherrscht. Ca. 80% der Einwohner sind Vertriebene. Während des über 50 Jahre dauernden Krieges zwischen den verschiedenen Guerilla-Gruppen, der Regierung und den Paramilitärs wurde sie von einer der Gruppen – manche auch mehrmals von unterschiedlichen Gruppen – aus ihrer Heimat vertrieben.
Auch Aldemar wohnt hier. Der Kontakt zu Prison Fellowship Kolumbien entstand während er im Gefängnis war – 13 Jahre lang. Im Gefängnis hat sich sein Leben radikal verändert, er ist Christ geworden, inzwischen ist er Pastor und hat seine kleine Gemeinde gegründet – im Neuen Jerusalem. Seitdem er vor 5 Jahren entlassen wurde arbeitet er als Ehrenamtlicher im Bellavista-Gefängnis mit, 2-3 Mal pro Woche. Vor zwei Jahren war er eine Zeit lang sehr krank. Fabián hat ihn besucht und war erschrocken, da er nicht wußte unter welchen Lebensbedingungen Aledemar gewohnt hat:
Eine kleine Bretterbude mit Lehmboden. Er hat sich mit dem Handel von Lebensmitteln irgendwie über Wasser gehalten. Zu seinem ehrenamtlichen Einsatz im Gefängnis ist er immer zu Fuß gekommen – ca. 1,5 h hin und 2 h zurück. Fabián hat sich auf die Suche nach Unterstützern gemacht. Mit vielen Sachspenden, einigen Geldspenden und der Mithilfe der Nachbarschaft konnte sich Aldemar dann sein eigenes kleines Haus – und einen größeren Raum, den er für seine Gemeinde nutzt, bauen.
Hier waren wir heute zu Besuch. Heute ist der offizielle Startschuss für die Fußballschule im neuen Jerusalem. Prison Fellowship führt das Präventionsprojekt schon in 7 Stadtteilen in Medellin und Barranquilla durch. Die Kinder und Jugendlichen bekommen hier kostenlos Fußballtraining, Persönlichkeitstraining und Wertevermittlung. Auch die Eltern werden geschult. Ziel ist es, dass sie so auf Drogen, der Mitgliedschaft in bewaffneten Banden, Waffen und Gewalt verzichten und ein selbstbewußtes Leben ohne Kriminalität leben können. Heute können sich die Jugendlichen für das Programm einschreiben.
Aldemar führt uns glücklich herum und zeigt uns sein neues Heim und den „Kirchenraum“. Er meint, dass es schon auch andere Gemeinden im Stadtteil gibt, aber keine mit einem sozialen Fokus. Er möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben und seinen Stadtteil verändern. Ideen hat er dazu viele. Das Fußballpräventionsprojekt ist nur ein Anfang.
Es soll eine Schule entstehen – sobald genügend Unterstützer gefunden sind. Es gibt zwei Hütten, die derzeit als Schulraum und Bibliothek dienen – wobei sie zu Corona-Zeiten auch geschlossen sind. Doch der Platz reicht bei weitem nicht aus. Eigentlich hat der Bürgergemeinschaft eine größere Fläche für die Schule gehört, doch der Großteil davon wurde von einer kriminellen Bande verkauft. Dennoch bleibt Platz, an dem weitere Schulräume entstehen sollen. Auch sonst hat er noch viele Ideen, am Wichtigsten ist ihm aber, dass die Bewohner zu einer Gemeinschaft wird, die sich gegenseitig unterstützt und füreinander einsteht und dass es ein sicherer Ort wird, an dem Kinder aufwachsen können – ohne in den Strudel von Gewalt, Abhängigkeit und Kriminalität hineingezogen zu werden.
Prison Fellowship konnte im letzten Jahr ein solches Zeichen der Zusammenarbeit in Paris, der Nachbarkommune, setzen. Nachdem durch ein Brand 9 Häuser zerstört und 57 Personen wurden obdachlos. Die Mitarbeiter von Prison Fellowship haben selbst Sach- und Geldspenden gesammelt und bei Firmen nach Unterstützung angefragt. Nach der Erstversorgung wurden Sachspenden gesammelt, so dass sie wieder Häuser für sich aufbauen konnten. Einige sind schon in ihre neuen Wohnungen eingezogen, andere sind noch am Bau.
Wenn man solche Taten der Barmherzigkeit sieht und Menschen wie Aldemar kennenlernt, die selber kaum etwas zum Leben haben und sich trotzdem ganz für andere Menschen einsetzen – dann fühlt man sich schon fast wie im neuen – himmlischen Jerusalem.
Bericht über Versöhnungsprojekte in dem Inseldörfern Palafitos.
Christoph Zehendner berichtet in seinem Buch „Jeder verdient eine zweite Chance – Hoffnungsträger Geschichten aus dem Seehaus und dem Rest der Welt“ auch über seine Begegnungen in Kolumbien. Das Buch kann bei der Hoffnungsträger Stiftung (hier) bestellt werden.
Informationen zu weiteren Projekten von Prison Fellowship Kolumbien.