Offener Vollzug (Jugendstrafvollzug in freien Formen):
Strafe allein reicht nicht aus
Can ist jugendlicher Intensivtäter. Doch statt im Gefängnis sitzt er im offenen Vollzug. Erziehen strenge Regeln und soziale Kontrolle am Ende besser als hohe Mauern?
Das Seehaus Leonberg ist ein Gefängnis ohne Mauern. Seit 15 Jahren verbüßen hier männliche Jugendstraftäter in der Nähe von Stuttgart ihre Haftstrafen, betreut von Gasteltern: auf einem Gutshof mit Kopfsteinpflaster in der Einfahrt und holzverkleidetem Giebel, vorne ein kleiner Teich, in dem im Sommer geplanscht wird, hinten eine Viehzucht. Vor den Hühnerställen befindet sich ein Spielplatz mit Schaukel und Rutsche, auf dem die Kinder der Hauseltern spielen. Auf einer kleinen Anhöhe treffen sich die Raucher an einem Standaschenbecher. Im Seehaus gibt es keine Gitter und keine verschlossenen Türen.
Die inhaftierten Jugendlichen sind zwischen 14 und 23 Jahren alt und leben in Wohngemeinschaften zusammen. Die Jungen schlafen jeweils zu dritt in Zimmern, die nur mit dem Nötigsten ausgestattet sind. Bett, Schrank, Schreibtisch, einige haben Fotos von Familie und Freunden an die Wand geklebt. Wie Can haben sie sich alle nach einigen Monaten in einem regulären Jugendgefängnis in Baden-Württemberg für die Aufnahme im Seehaus beworben. Der hier und im Stuttgarter Projekt Chance praktizierte offene Jugendstrafvollzug war lange einzigartig in Deutschland, erst seit 2011 gibt es ein Seehaus-Projekt auch in Leipzig.
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Begriffsbestimmung: Offener Vollzug – Jugendstrafvollzug in freien Formen:
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen drei Formen des (Jugend-)Strafvollzugs:
Jugendstrafvollzug in freien Formen – offener Vollzug – geschlossener Vollzug. In Baden-Württemberg ist dies wie folgt geregelt:
Justizvollzugsgesetzbuch Baden-Württemberg – JVollzGB-BaWü
§ 7 Formen des Jugendstrafvollzuges
(1) Bei Eignung können junge Gefangene in einer Einrichtung des Jugendstrafvollzugs in freier Form untergebracht werden. Hierzu gestattet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter der oder dem jungen Gefangenen, die Jugendstrafe in einer dazu zugelassenen Einrichtung der Jugendhilfe zu verbüßen. Die Eignung ist stets zu prüfen.
(2) Junge Gefangene sollen in einer Jugendstrafanstalt oder Teil einer Jugendstrafanstalt ohne oder mit verminderten Vorkehrungen gegen Entweichung untergebracht werden, wenn sie ihre Mitwirkungspflicht erfüllen und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werden.
(3) Für den Jugendstrafvollzug in freier Form oder den offenen Vollzug nicht geeignete junge Gefangene werden in einer geschlossenen Jugendstrafanstalt oder einer Abteilung mit Vorkehrungen gegen Entweichung untergebracht.
Der offene Vollzug findet in einer Justizvollzugsanstalt ohne oder mit verminderten Sicherheitsvorkehrungen statt. Hier haben die Gefangenen mehr Bewegungsfreiheit im Innern und leichter Möglichkeiten für vollzugsöffnende Maßnahmen, wenn Flucht- und Missbrauchsgefahr hinreichend sicher ausgeschlossen werden können. Wenn ein Gefangener den Status als Freigänger hat, kann er am Morgen die Haftanstalt verlassen und an einem Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft außerhalb der Anstalt arbeiten. Nach Beendigung der Arbeit kehrt er wieder umgehend in die Anstalt zurück.
Im Jugendstrafvollzug in freien Formen sind die Gefangenen in einer Einrichtung eines freien Trägers untergebracht. Die Einrichtung ist inhaltlich geschlossen, baulich jedoch offen. Es gibt keine baulichen Sicherheitsvorkehrungen. Die Gefangenen dürfen jedoch das Gelände grundsätzlich nicht verlassen, außer zu gemeinsamen Aktivitäten in Begleitung mit Mitarbeitern (z.B. Frühsport, Sport, Außenbaustellen, …) oder nach Aufstieg auf die höchste Stufe im internen Stufensystem auch ohne Begleitung (z.B. einmal im Monat auf Heimfahrt, in einen Sportverein, ….). Grundsätzlich findet die Ausbildung und Arbeit in den Ausbildungswerkstätten auf dem Gelände statt.